Giovannis_Welt

Jetzt, wo der Frühling endlich da ist, fällt einem das Aufstehen viel leichter. Die Sonne wärmt schon etwas und das erfreut auch meine alten Knochen. So geht es mit einem heißen Kaffee und der Zeitung auf die Terrasse. Selbst meine Augen freuen sich, denn sie müssen sich bei genügend natürlichem Licht weniger anstrengen. So kann ich morgens sogar ohne Brille eine Zeit lang ganz gut lesen.

Da ich schon einige Jahre Rentner bin, ist mir aufgefallen, dass ich die heimische Lektüre mit den Tagesnachrichten aus dem Schaumburger Land jetzt viel intensiver verfolge. Wenn ich früher schon nach fünf Minuten das Blatt gelangweilt aus der Hand legte, kann es jetzt locker schon mal eine Stunde dauern. Plötzlich interessieren mich die Belange und Probleme unserer Gemeinden und ich sehe diverse Bürgermeister und Taubenzüchter in die Kamera grinsen. Ich weiß, wo wieder eingebrochen wurde und welcher Sportverein seinen Trainer entlassen hat. Ich kenne die aktuellen Dax-Werte und lese mit Unbehagen, wer gestorben ist und wer geboren wurde.

Und wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass mir noch mehr Veränderungen an mir aufgefallen sind. Vor gut 50 Jahren fühlte ich mich als Revoluzzer und Visionär, trug lange Haare und fuhr mit quietschenden Reifen durch die Stadt, um junge Mädchen zu beeindrucken. Seht her, hier sitzt ein cooler Typ hinterm Steuer. Heute würde ich genau diesem jungen Mann einen Vogel zeigen. Ich stehe jetzt mehr auf Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und liebe Momente der Ruhe. Vermutlich bin ich jetzt sogar ein Spießer geworden. Andererseits, wenn ich mich früher über jeden Scheiß aufregte, bin ich heute viel gelassener. Ich lasse „Fünfe gerade sein“ und beurteile das Fehlverhalten irgendwelcher Leute nicht mehr so streng. Das ist dann wohl die Altersmilde, von der man immer so gerne spricht.

Ach ja, und dann soll es ja noch die Altersweisheit, Altersmelancholie und Altersgeilheit geben. Ja, aber was kommt noch im Alter? Man hört die schlimmsten Sachen wie übertriebene Furchtsamkeit bis hin zur lähmenden Vorsicht, die starre Erhaltung von Althergebrachtem, das Festhalten an Gewohntem und die Abneigung gegen alles Neue. Die Verherrlichung der „guten alten Zeiten“, das Festhalten an einen rhythmisch genau festgelegten Tagesablauf. . . das alles möge bitte an mir vorübergehen.

Ich möchte, dass jetzt jeden Tag die Sonne scheint und ich noch täglich etwas dazulerne. Ich möchte nicht ständig über Krankheiten und Beschwerden reden. Auch möchte ich nicht vergessen, dass auch ich mich irren kann. Ein alter Griesgram möchte ich schon gar nicht werden, und natürlich wünsche ich mir, so liebenswert wie möglich zu bleiben. Wir werden sehen…

So, und jetzt schnappe ich mir meine „Rentner-Bravo“ (Apothekenumschau) und setzte mich mit meinem Kamillentee auf die Terrasse.

Euer Giovanni

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