Giovannis_Welt

Im Dezember heißt es für uns Musiker wieder, die langen Unterhosen anzuziehen. Das ist zwar nicht sexy, aber das spielt erst einmal eine untergeordnete Rolle. Man kommt selten bis gar nicht in Versuchung, in dieser kalten Jahreszeit bei delikaten Angelegenheiten spontan seine Hosen fallen zu lassen. Das war in jungen Jahren das eine oder andere Mal anders, aber bei einem älteren Herrn wie mir bleibt nur die Option: „Träum‘ weiter alter Knabe.“ Bei Minusgraden auf den vielen Weihnachtsbühnen hat man andere Probleme, denn die Tasten meines Keyboards sind eisig kalt. Jeder Druck auf dieselben kostet Überwindung und es fällt schwer, dabei noch ein fröhliches Gesicht aufzusetzen. Besonders unser Gitarrist tut mir Leid, der ohne Handschuhe mit klammen Fingern auf seine eiskalten Saiten drücken muss. Da hilft noch nicht einmal ein heißer Glühwein, der von lieben Zuhörern großzügig den schlotternden Musikanten beim wiederholten Vortrag von „Last Christmas“ spendiert wird. Schnell wird ein Schlückchen gierig von dem köstlichen Nass runtergespült. Dabei verbrennt man sich innerlich fluchend jedes Mal seine Zunge und bedankt sich per Mikrofon trotzdem artig bei den edlen Spendern. Ist nach ca. drei Minuten der nächste Song zu Ende gebracht, nimmt man schnell, gebückt und versteckt hinter dem Mischpult einen weiteren Schluck aus dem Glas. Dabei stellt man enttäuscht fest, dass das Getränk nicht mehr glüht, weil es schon wieder kalt ist. Ich denke, dass jeder weiß, wie kalter Glühwein schmeckt. Nach gut zwei Stunden ist die Stimmung der meisten Besucher des Weihnachtskonzerts dann auf dem Siedepunkt. Mit Freude beobachten wir, dass die zahlreichen Gäste jetzt immer mehr schunkeln und fröhlich mitsingen. Jetzt passiert es plötzlich, dass die ersten Zuhörer, meistens Damen mittleren Alters, das Podium erklimmen und dort leidenschaftlich zu tanzen beginnen. Das ermutigt weitere Zuschauer, ebenfalls die Bühne zu erobern und so entwickelt sich im Nu eine richtige Tanzorgie. Das hat dann zur Folge, dass wir Musiker von der Bühne aus das restliche Publikum nicht mehr sehen können und die übrigen Gäste auf dem Marktplatz unsere Band hinter den Tanzenden nicht mehr erkennt. Was mache ich jetzt, denke ich mir. Wir könnten jetzt einfach CDs abfeuern und die Veranstaltung zu einer stimmungsvollen Disco-Party umfunktionieren. Doch als erfahrener Bandleader weiß ich, dass dann der Veranstalter womöglich zu uns kommt und sagt: „Ich muss Euch leider die Gage kürzen, denn Ihr habt ja kaum live gespielt!“ Um das zu vermeiden, greife ich dann entschlossen zum Mikrofon und fordere die Tanzenden auf, doch bitte aus Sicherheitsgründen die Bühne zu verlassen. Gott sei Dank erhören die meisten mein Flehen, und so geht wieder ein wunderschöner Abend auf dem Weihnachtsmarkt zu Ende. Schnell wird von uns die Musikanlage abgebaut und wir können mit den verbliebenen Gästen und Freunden endlich einen richtig heißen Glühwein genießen. Sollten einige in meiner kleinen Erzählung einen negativen Touch erkennen, so muss ich ganz schnell klarstellen, dass wir unheimlich gerne zur weihnachtlichen Zeit hier und überall unsere Musik vortragen…

Ich wünsche allen Lesern ein frohes Fest!

 

 

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