Von Rechtsanwalt Marco Vogt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht in Rinteln

Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wurde im Jahre 2008 reformiert. Dieses galt zunächst für Versicherungsfälle, die Versicherungsverträge betreffen, die am 01.01.2008 oder später abgeschlossen wurden. Ab dem 01.01.2009 wurden auch alle Altverträge von der Gesetzesnovelle erfasst. Im Rahmen dieser Veränderungen wurde von dem bisher geltenden Alles oder Nichts-Prinzip Abstand genommen.
Wenn beispielsweise früher ein Verhalten des Versicherungsnehmers, dass den Versicherungsfall herbeigeführt hat, als grob fahrlässig eingestuft wurde, musste der Versicherer überhaupt keine Leistungen erbringen.
Im neuen VVG in § 26 Abs. 1 VVG (Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung) oder § 28 Abs. 2 VVG (Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit) stehen dem Versicherer nun Leistungskürzungsrechte zu. Konkret geht es darum, in wie weit der Versicherer im Falle grober Fahrlässigkeit oder Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers (VN) berechtigt ist, seine Leistung „in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnisses zu kürzen“.
Auch diese Abwägung kann zur völligen Leistungsfreiheit führen. Insofern ist zahlreiche Rechtsprechung in den letzten knapp 10 Jahren ergangen:
Grobe Fahrlässigkeit:

• Ein Abkommen von der Fahrbahn, weil der VN sich eine Zigarette angezündet hat, führt zu einer Kürzung der Leistung um 75 %  (OLG Naumburg, 4 U 133/08).

• Eine Missachtung der begrenzten Höhe der Einfahrt zu einem Parkhaus führt zu einer Kürzung von 50 % (OLG Stuttgart, 7 U 102/10).

• Eine absolute Fahruntüchtigkeit (mindestens 1,1 Promille) führt zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers (LG Münster, 15 O 141/09; OLG Dresden, 7 U 466/10; OLG Stuttgart, 7 U 102/10).

• Ein Rotlichtverstoß führt zu einer Leistungskürzung von 50% (AG Essen, 135 C 209/09; AG Solingen, 10 C 262/14).

• Wenn der VN in einem Parkhaus sein Fahrzeug abstellt und hochwertige Gegenstände – von außen sichtbar – im Fahrzeug zurücklässt ist eine Kürzung um 65 % berechtigt (AG Langenfeld, 12 C 9/10).

• Führt ein Ausweichen vor einem Fuchs zu einem Schaden, ist eine Kürzung um 60 % möglich (LG Trier, 4 O 241/09).

• Der Versicherungsnehmer han-
delt grob fahrlässig, wenn er mit Feuerwerkskörpern eine Katze verjagt und einen Kellerbrand auslöst. Diese grobe Fahrlässigkeit führt zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers (OLG Naumburg, 4 W 12/11).

Obliegenheitsverletzungen:

• Wenn in einem leer stehenden Gebäude die Leitungen nicht entleert werden und es mangels ausreichender Heizung zu einem Frostschaden kommt, ist eine Leistungskürzung von 50 % angemessen (LG Bonn, 10 O 362/09).

• Nach LG Mainz , 4 O 144/09 liegt sogar völlige Leistungsfreiheit vor, wenn ein Gebäude ca. 3 Monate leer steht und die Wasserleitungen nicht abgesperrt und entleert werden und es zu einem Frostschaden kommt.

• Wird eine Stehlgutliste nicht bei der Polizei eingereicht, ist eine Leistungskürzung in Höhe von 40 % angemessen (LG Oldenburg, 13 O 3064/09.

• Letztlich kommt es für die Quotierung immer auf den Einzelfall an, so dass anwaltlicher Rat in jedem Falle gesucht werden sollte.